Gedenken der Opfer des Nationalsozialismus im Bundestag

Klaus Schirdewahn (75), BISS-Mitglied seit 2018, Redner bei der Gedenkveranstaltung am 27.01.2022 im Deutschen Bundestag

78 Jahre nach Kriegsende und 27 Jahre nach der ersten Gedenkveranstaltung im Bundestag wird endlich auch der schwulen Männer gedacht, die, in Konzentrationslagern mit dem Rosa Winkel auf der Kleidung markiert, umgebracht und medizinischen Experimenten unterzogen wurden. Schwule Männer waren dort besonderen Drangsalierungen der Wachmannschaften ausgesetzt und wurden den schwersten Arbeitskommandos zugeteilt.

Zwischen 10.000 und 15.000 Männer, die wegen Homosexualität während der NS-Zeit verurteilt worden waren, landeten in den Konzentrationslagern, so die Schätzung der Bundeszentrale für politische Bildung. Die Todesrate schwuler Männer lag bei 60 %.

Dass erst in diesem Jahr schwuler Männer als Opfergruppe gedacht wird, ist einmal mehr Ausdruck des schleppenden gesellschaftlichen Öffnungsprozess gegenüber gleichgeschlechtlich leben und lieben Männern.

Wenigen Menschen in der Bundesrepublik ist klar, dass die Konzentrationslager überlebenden schwulen Männer nach deren Befreiung ihre Haftstrafe weiterhin in Gefängnissen vollends absitzen mussten. Der fortgeltende § 175, in der unveränderten Fassung des NS-Regimes von 1935, bot dafür die Grundlage.

Dieser Paragraf hat nach dem 8. Mai 1945 in Westdeutschland dazu geführt, dass das Leben von Männern wie Klaus Schirdewahn einschneidenden Einschränkungen unterworfen war.

Als 17-Jähriger hatte er Sex mit einem 21-Jährigen im öffentlichen Raum. Offene Bars und Kneipen durfte es nicht geben. Klaus Schirdewahn wurde ob seines Alters eine Therapie angeboten, um heterosexuell zu werden. Hätte er das abgelehnt, wäre er womöglich, wie sein Partner zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden.

Zwei Jahre Therapie führten dazu, dass er mit einer Frau eine Beziehung einging, sie schließlich heiratete und ein Kind geboren wurde. Allerdings hat er all die Jahre danach weiterhin Sex mit Männern gehabt und sogar eine Beziehung zu einem Mann etablieren können.

Als dieser schließlich aus der Beziehung ausstieg, weil er unter der Doppelmoral litt, war Klaus Schirdewahn am Boden zerstört. Es dauerte schließlich noch bis 1980, dass er endlich zu sich stehen konnte.

Im Jahr 2017 kam er schließlich zu BISS e. V., um einen Antrag auf Entschädigungszahlung zu stellen. Die Frankenthaler Justiz hatte zuvor seinen Antrag auf Ausstellung einer Rehabiliterungsbescheinigung für die Antragstellung abgelehnt. Erst mit Unterstützung von BISS e. V. in Person des damaligen Mitarbeiters Marcus Velke-Schmidt konnte die Rehabilitierungsbescheinigung erfolreich beantragt und im darauf folgenden Jahr die Entschädigungssumme an Klaus Schirdewahn ausgezahlt werden.

Die Gedenkveranstaltung am 27.01.2023 im Bundestag könnt Ihr/können Sie ab 10:00 Uhr live auf Phönix verfolgen.

Foto: Klaus Schirdewahn (privat)